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Filmbesprechung „Toni Erdmann“, D/A 2016

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Seit einem Monat hat der deutsche Kinogänger teil an Maren Ades weltweit beachteten Film „Toni Erdmann“. In Brüssel und Cannes ist die Komödie ausgezeichnet worden. Zurecht, denn Ade legt hier ein Werk vor, das frischen Wind in die Filmkunst bringt, insbesondere die deutschsprachige. Wir dürfen über all unseren beliebten, endlosen, ausufernden, qualitativ sehr schwankenden Serien und Fernsehfilmen nicht vergessen, dass wir auch eine Kinotradition haben, die sich durchaus messen kann mit der Konkurrenz. Wer ist Toni Erdmann? Er ist eine Rolle, eingenommen von Winfried (Peter Simonischek), einem etwa sechzigjährigen Klavierlehrer, der seinen Mitmenschen in erster Linie mit Humor begegnet. Falsche Zähne und Perücke dienen Winfried zur schnellen Verwandlung in Toni, der offenbar vielerlei Funktionen erfüllt – als Winfrieds nicht vorhandener Bruder zum Beispiel –, der aber vor allem irritiert. Wer Toni begegnet, wird von seinem einnehmenden Wesen berührt, von seiner unbeholfenen Art amüsiert und von seinen Sprachschwächen und Manierismen abgestoßen. Man lässt sich ein mit diesem ominösen Herrn Erdmann, man ist aber auch froh, wenn man ihn dann schnell wieder loswird. Der Zuschauer darf sich zurücklehnen und über Toni Erdmanns rüde, unangebrachte Kommunikationsversuche mit den vermeintlich „normalen“ Menschen lachen. Die besten Momente entstehen dabei, wenn Toni sein Gegenüber während des gefährlich schlitternden Gesprächsverlaufes stumm ansieht, vage die Mundwinkel hebt und somit seinen Triumph auskostet. Was ist hier eigentlich „normal“? Gar nichts. Winfried spielt diese Rolle nicht nur zu eigenen Belustigung. Er gleicht einem Narren, der uns unsere Attitüden vorführt und uns zu Selbstreflexion ermuntern will. Wahrhaftiges Gewicht gewinnt Toni, als sich Winfried längerfristig in ihn verwandelt, um seiner karrieregeilen Tochter Ines (Sandra Hüller) den steinigen Weg zur Emanzipation zu ebnen. Dabei wird klar, dass sich Ines die Steine selbst in den Weg...

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